10. Februar: 19 Uhr « Erzähl in Deutschland davon! » Ein Reisebericht aus der Ukraine

« Erzähl in Deutschland davon! » Ein Reisebericht aus der Ukraine

6.500 Kilometer mit dem Zug durch die Ukraine. Sibylle von Tiedemann war dort, wo gerade niemand sein will. Im Krieg. In der Ukraine. Bei ihrer #FundReise durch das geschundene Land besuchte sie Freund*innen und LGBTIQ*-Organisationen in Kyjiw, Odesa, Charkiw und wurde mit offenen Armen empfangen. Am Freitag, 10. Februar, lädt sie ab 19 Uhr zum Vortrag ins lesbisch-queere Zentrum LeZ, Müllerstraße 26. Mit ukrainischer Lotterie!

Erst war es nur eine vage Idee, aber sie nahm bald konkret Gestalt an. Ende November trat Sibylle, Mitfrau und -gründerin von Munich Kyiv Queer, außerdem promovierte Slawistin und Historikerin, ihre Reise in die Ukraine an. 

Sie fuhr, weil sie vor Ort sein wollte. Bei ihren Freund*innen, in dem Land, das sie liebt, in der Stadt Kyjiw auch, die ihr in den vergangenen Jahren so sehr ans Herz gewachsen war.

 Am Bahnhof in Kyjiw. Trotz Kriegs fahren die Züge pünktlich. Foto: Sibylle von Tiedemann 

Außerdem wollte Sibylle Spenden sammeln: für die Soforthilfe von Munich Kyiv Queer und die „Brücke für Kiew“, einen Verein, der sich für hilfsbedürftige Personen, insbesondere Kinder und kinderreiche Familien, finanziell schwache, gering verdienende und/oder auch Tschernobyl-geschädigte Personen in der Ukraine einsetzt. An Spenden – 18.000 Euro waren und sind das Ziel – kamen bislang gut 13.000 Euro zusammen.

Spender*innen können Wein, Kaffee und Klopapier aus der Ukraine gewinnen

Am Ende blieb sie über einen Monat. Im lesbisch-queeren Zentrum LeZ, Müllerstraße 26, wird sie am Freitag, 10. Februar, ab 19 Uhr einen Vortrag zu ihrer Reise halten. Sie zeigt Fotos und Videos, spricht über ihre Erlebnisse. Die Moderation des Abends übernimmt Conrad Breyer, Sprecher von Munich Kyiv Queer. 

 Herzliche Einladung! Flyer: Stanislav Mishchenko 

Unter Spender*innen (ab 50 Euro) – Munich Kyiv Queer unterstützt wie gesagt über eine private Spendenaktion ukrainische LGBTIQ* in Not mit Einzelfallhilfen – verlosen wir Mitbringsel aus der Ukraine, wie Craft Wein aus Odesa, Klopapier mit dem Konterfei Putins und Kaffee, auf dessen Packung der populär gewordene Spruch eines ukrainischen Soldaten prangt, der mit seiner Truppe auf der Schlangeninsel die Kapitulation verweigerte. Er sagte: „Russisches Kriegsschiff, f… dich!“

Sibylle war in den vergangenen Jahren oft in der Ukraine. Munich Kyiv Queer gibt es seit 2012. Die Gruppe setzt sich für die Menschenrechte von LGBTIQ* in Münchens Partnerstadt Kyjiw, inzwischen auch darüber hinaus ein. Sibylle hat die Gruppe bei ihren Aktionen häufig begleitet, etwa beim Pride.

 Sibylle vor Panzern. Im Hintergrund: Die Sofienkathedrale. Foto: Sibylle von Tiedemann 

Für das NS-Dokumentationszentrum München hat Sibylle als wissenschaftliche Mitarbeiterin außerdem ehemalige Ostarbeiter*innen interviewt, die in der NS-Zeit zur Zwangsarbeit nach München deportiert worden waren. 

2018 hat sie das Gedenkbuch für die Münchner Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde für das NS-Dokumentationszentrum und den Bezirk Oberbayern mitherausgegeben. Es war ein Meilenstein in ihrem Engagement für diese vergessene Opfergruppe der NS-Gewaltherrschaft.

 Sibylle am Strand von Odesa. Foto: Sibylle von Tiedemann 

Ihre Reise hat Sibylle gut vorbereitet. Sie hat sich mit Expert- und Freund*innen ausgetauscht, die ihren Reiseplänen mit großer Wertschätzung begegneten. Auch die Menschen vor Ort begrüßten sie von Herzen. Von ihren persönlichen Beobachtungen hat Sibylle in einem vielbeachteten Blog berichtet, den man hier nachlesen kann. Er wird weiter um Beiträge ergänzt. 

Die Geschichten, die sie dort aufgeschrieben hat, berühren. Queere Menschen leiden im Krieg als vulnerable Gruppe besonders. Der Blog erzählt aber auch von Mut, kreativem Protest und Aufbruchstimmung, einem Alltag in dem von Putins Truppen terrorisierten Land.

Ihren Reisebericht versteht sie als Auftrag

Sie sagt: „Ich konnte es nicht ertragen, dem Elend von der Ferne zuzusehen, hier ein Herzchen über Facebook zu senden, dort ein #StandWithUkraine zu posten, da Geld zu überweisen.“

 Sibylle vor zerstörten Häusern in Charkiw. Foto: Sibylle von Tiedemann 

In Charkiw hat ihr eine junge Ukrainerin Häuser gezeigt, in denen bis vor Kurzem noch Menschen wohnten. Sie sind ausgebrannt. „Erzähl in Deutschland davon“, gab sie ihr mit auf dem Weg. Sibylle versteht das als Auftrag.

Wann: Freitag, 10. Februar, 19 Uhr
Wo: LeZ, Müllerstraße 26, München
Kontakt: info@MunichKyivQueer.org
Veranstaltende: Munich Kyiv Queer, LeZ, CSD München, Kulturreferat der Stadt München

So könnt Ihr helfen

 

EINZELFALLHILFE Munich Kyiv Queer unterstützt mit einer eigenen, privaten Spendenaktion über www.paypal.me/ConradBreyer Menschen in der Ukraine, die Hilfe brauchen und nicht an queere Organisationen angebunden sind. Das ist direkt, schnell und gebührenfrei, wenn Ihr die Option „Geld an Familie & Freunde senden“ wählt. Wer kein PayPal hat, kann alternativ an das Privatkonto von Conrad Breyer, IBAN: DE42701500000021121454, Geld schicken. Wir helfen unsere Freund*innen und Partnern. Wir kennen sie persönlich und wir vermissen sie schmerzlich.

HILFE FÜR LGBTIQ*-ORGANISATIONEN Wir haben zum Schutz von LGBTIQ* aus der Ukraine das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine mitgegründet. Ihm gehören um die 40 LGBTIQ*-Organisationen in Deutschand an. Sie alle haben ganz unterschiedliche Kontakte in die Ukraine und sind bestens vernetzt mit Menschenrechtsorganisationen vor Ort, die Gelder für die Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen brauchen. Spendet hier

Fragen? www.MunichKyivQueer.org/helfen

UNTERKUNFT FÜR QUEERE GEFLÜCHTETE AUS DER UKRAINE „Home is where the heart is“, lautet ein englisches Sprichwort, aber ein Herz alleine schafft noch keinen Wohnraum. Wir kümmern uns deshalb gemeinsam um Unterkünfte für queere Menschen. Wir mieten je nach Verfügbarkeit Zwei-, Drei-, Vier- oder Fünf-Zimmer-Wohnungen an und vermieten sie an Bedürftige in Form von Wohngemeinschaften weiter. Noch hat unser Verein keine Förderung, deshalb sind wir auf Spenden angewiesen. Wir müssen zum Beispiel Mieten und Kautionen vorstrecken, bis das Jobcenter einspringt.

  • Münchner Bank eG
  • IBAN DE16 7019 0000 0003 1425 66
  • Munich Queer Homes e.V.

Fragen? https://munichkyivqueer.org/munich-queer-homes/

„Ich bin AUS der Ukraine. Ich bin IN der Ukraine“

Wann: Freitag, 20. Januar, bis Donnerstag, 23. Februar 2023
Wo: LeZ, Müllerstraße 26, München
Kontakt: info@MunichKyivQueer.org
Veranstaltende: KyivPride, LeZ, Munich Kyiv Queer

 

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Die bekannte Ausstellung hängt ab Freitag, 20. Januar, im Lesbisch-queeren Zentrum LeZ. „Ich bin AUS der Ukraine. Ich bin IN der Ukraine“ gibt Einblicke in die Schicksale queerer Menschen aus der Ukraine jetzt im Krieg. Bis Ende Februar sind die zwölf Fotocollagen in der Müllerstraße 26 zu sehen. Kuratiert hat sie unser Partner KyivPride.

Im November waren sie zuletzt im Schwul-queeren Zentrum SUB, im Sommer plakatierte diversity München die zwölf Portraits ukrainischer LGBTIQ* in den Schaufenstern seines Cafés. Queere Menschen aus der Ukraine beschreiben ihr Leben im und mit dem Krieg. Die einen kämpfen, manche helfen, andere sind geflohen. Jetzt macht die Ausstellung die Runde und kommt nochmal ins LeZ.

Was tun? Bleiben, gehen?

Im Krieg geht es immer um Entscheidungen: Soll ich das Land verlassen? Bleibe ich? Wie kann ich meine Familie, Freund*innen und nicht zuletzt die Community unterstützen, der ich selbst viel zu verdanken habe.

Vernissage im SUB am 3. November. Foto: Stas Mishchenko

Die zwölf Porträts von „Ich bin IN der Ukraine. Ich bin AUS der Ukraine“ geben Antworten. Lesbische, schwule, bisexuelle, non-binäre, trans* und queere Menschen aus der Ukraine erzählen uns ihre Geschichten. Drei von ihnen stellen wir hier vor. Da ist zum Beispiel:

Boris, schwul, 26 Jahre alt, LGBTIQ*-Aktivist aus Kyjiw

Verlassen können hätte er die Ukraine aufgrund der Generalmobilmachung ohnehin nicht. Aber Boris hat sich gleich freiwillig gemeldet. Er war schon mal Teil der Streitkräfte und findet: „Dies ist der Moment der Wahrheit, in dem wir tatsächlich hier sein und unser Land beschützen müssen.“

Boris Chmilevsky. Fotos: KyivPride

Boris hat bis zum 24. Februar als LGBTIQ*-Aktivist für ein demokratische und tolerante Ukraine gearbeitet. Er hatte große Pläne, für seinen Job, privat – Boris wollte viel reisen, aber dann brach der Krieg aus.

„Es ist schwer zu übersehen, dass sich die Gesellschaft jetzt radikalisiert. Aber das war zu erwarten. Dafür sehen wir zum ersten Mal in der Weltgeschichte, dass die LGBTIQ*- Community an der Front breit vertreten ist; viele kämpfen offen.“ Seine Hoffnung ist, dass das nach dem Krieg ein mächtiges Advocacy-Instrument sein wird, um eine wirklich inklusive Ukraine aufzubauen.

Luli, trans* Frau, 27 Jahre alt, Animationskünstlerin aus Lwiw

Kurz vor dem Krieg waren Luli und ihr Partner nach Lwiw gezogen. Sie lieben diese Stadt, planten, dort ein Haus zu kaufen. „Das Geld dafür haben wir jedoch längst für den Kauf eines Autos verwendet, um die Armee zu unterstützen.“ Überhaupt spendet Luli jede Hrywnja, die sie übrig hat, an die Streitkräfte.

Wie viele IT-Leute arbeitet sie jetzt im Info-/Cyber-Bereich, darf aber keine Details preisgeben. Sie blieb in der Ukraine, weil sie keine Gelegenheit hatte, auszureisen.

Luli Osmak. Fotos: KyivPride

Ihr Coming-out hatte Luli erst während des Krieges, weil sie das Gefühl nicht los wurde, jeden Tag sterben zu können. Sie wollte sich nicht länger verstecken. Und sie merkt, dass die Menschen positiv darauf reagieren: „Hassrede wird von der Gesellschaft aktiv verurteilt. “ Alles andere ergäbe auch keinen Sinn, meint sie. LGBTIQ* jetzt zu Feinden zu erklären, würde nur dem Gegner in die Hände spielen.

„Wir alle haben einen Hass und das ist richtig. Aber nach dem Sieg muss man mit diesem Hass arbeiten, damit er nicht zu etwas anderem führt. Ja, ich sehe Fortschritt, Freiheit, Toleranz und den Regenbogen, aber die Wunden in der Gesellschaft werden noch lange nicht heilen.“

Angelina, pansexuelle Frau, Content-Managerin in Trutnov, Tschechien, 21 Jahre alt

Angelina kommt aus Kyjiw, wo sie geboren ist und ihr ganzes Leben verbracht hat. Jetzt lebt sie in Trutnov, Tschechische Republik. Sie sagt, es sei ziemlich einfach gewesen, sich für die Flucht zu entscheiden. Den Verwandten, bei denen sie kurzfristig untergekommen waren, wollten sie nicht länger zur Last fallen. Die Flucht war anstrengend, aber jetzt haben sie es gut. Angelina ist den Tschech*innen sehr dankbar.

Sie vermisst ihr altes Leben sehr: Angelina hat als Content-Managerin gearbeitet, als Fotografin war sie für verschiedene Cafés unterwegs, nahm an Frauenmärschen und dem Pride teil. Und jetzt kann sie das alles nicht mehr tun. Sie hilft, wo sie kann, muss aber erstmal Tschechisch lernen. „Es stellt sich heraus, dass es gar nicht so schwierig ist.“ Sie will neu anfangen, studieren.

Angelina Sazonova. Fotos: KyivPride

Nach dem Sieg sieht sie eine unabhängige Ukraine. „Neue Werte, die nicht Russland uns aufgezwungen hat. Werte, die wir frei wählen. Keine Diskriminierung, weil es rechtlich geahndet wird. Freiheit für LGBTIQ* ist etwas, das ich wirklich gerne hätte.“

Alle Frauen* und Männer* hat der KyivPride in den vergangenen Monaten zu ihrem Leben vor und nach dem Kriegsausbruch befragt, selbst fotografiert oder sich Bilder schicken lassen. Herausgekommen sind berührende Portraits von Menschen aller möglichen Gender-Identitäten und sexuellen Orientierungen, die sich mutig ihrem Schicksal stellen.

 

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